Ein pädagogischer Blick auf die Corona Angst:
Wie schnell das alles ging?!
In nur wenigen Wochen hat sich unsere Welt komplett verändert und uns in eine globale Krise gestürzt.
Klar, das macht uns jetzt erstmal Angst. So reagieren wir Menschen ganz instinktiv auf Krise.
In diesem Artikel möchten wir unsere pädagogische Brille aufsetzen und einen Blick mit dir auf die Corona Angst werfen.
Rein pädagogisch gesehen passieren gerade in diesen Zeiten unglaublich wertvolle Dinge. Wir stehen vor essentiellen Entwicklungen in unserem persönlichen Wachstum.
Denn in jeder Krise gibt es einen Schatz zu bergen. Einen Schatz, der Dich als Individuum und uns als Gesellschaft enorm weiterentwickeln wird.
Mit ein paar Überlegungen, die wir hier für Dich anstellen, kannst Du – trotz Corona Angst – den Schatz fokussieren.
So viel nämlich schon mal vorweg: „Angst haben“ kannst Du lernen.
Wir zeigen Dir hier wie.
Wir hätten nicht besser auf Oma hören können…
Krisen kennen wir bislang aus den Erzählungen unserer Oma. Durch Ihre Anekdoten vom zweiten Weltkrieg, vom Hunger, von der Angst vor Bomben, der anschließenden Entwertung des Geldes…
Doch keine Erzählungen der Welt können uns auf eine Krise vorbereiten. Mental vielleicht schon. Aber nicht emotional. Denn Krisen müssen wir erst durchleben, – ihre Auswirkungen auf uns selbst spüren, – um sie nachvollziehen zu können.
So ist es auch mit der Corona Angst, in der wir uns gerade befinden.
Corona ist eine außergewöhnliche Krise
Denn anders als beim zweiten Weltkrieg oder bei einem Terroranschlag ist die aktuelle Krise für uns nicht so offensichtlich spürbar.
Es ist eine subtile Krise.
Keine Naturkatastrophe, die uns wie ein Tsunami überrollt, sondern eine Erkältungskrankheit, die uns ihren Schrecken erst nach und nach gelehrt hat. Es ist, bei all der Trauer um die Toten, eine sanfte Krise.
Das bedeutet auch, dass wir Zeit haben, uns an diese Krise nach und nach anzupassen. Das ist aus pädagogischer Sicht ein elementarer Vorteil dieser Krise.
Um Dir zu erklären wieso, müssen wir Dich kurz ein wenig in den Kontext unseres Denkens einführen. In diesem Falle ganz spezifisch: Das Komfortzonenmodell oder die Idee, wie menschliches Lernen stattfindet.
Das Komfortzonenmodell und Corona
Das Komfortzonenmodell besteht aus
- Komfortzone
- Lernzone
- Panikzone
Das Komfortzonenmodell versucht zu erklären, unter welchen Bedingungen wir Menschen am besten lernen und uns persönlich weiterentwickeln.
Denn das können wir Menschen: Wenn wir uns in der Lernzone befinden, haben wir die Fähigkeit, uns Stück für Stück an die neuen Gegebenheiten von Corona anzupassen. Und uns auch an die Corona Angst zu gewöhnen.
Vor der Corona Angst befanden wir uns alle in unserer Komfortzone. Bildlich gesprochen saßen wir alle mit der Chipstüte auf unserer gemütlichen „roten Couch“ und haben Netflix-Serien geglotzt. Alles ist wie immer. In der Komfortzone können wir entspannen. Aber wir entwickeln uns auch nicht weiter.
Corona: Von der roten Couch zum Klopapierkauf
Dann häuften sich die Corona Nachrichten. Nach und nach sickert sogar zu uns auf unserer roten Couch durch, dass es in der Welt da draußen gerade rund geht. Nichts ist mehr, wie es mal war. Das registriert unser Hirn und kann uns in einer (gut gemeinten) Überreaktion in die Panikzone katapultieren. Von 0 auf 100.
Wenn uns Angst in die Panikzone treibt, dann reagiert unser System „animalisch“ (und wir beginnen uns um das letzte Toilettenpapier im Supermarkt zu prügeln). In echt oder auch nur gefühlt oder in unserer Einbildung geht es ums blanke Überleben: Wir agieren wie ferngesteuert. Wenn wir uns in der Panikzone befinden, zeigen Hirnscans, dass die Großhirnrinde, die für unseren analytischen, rationalen Verstand zuständig ist, aussetzt. Wir ticken einfach nicht mehr richtig. In so einem Ausnahmezustand ist Anpassung und Persönlichkeitsentwicklung nicht möglich.
Der Mittelweg: Die Lernzone
Die Lernzone ist im Komfortzonenmodell dieser Bereich, der zwischen unserem bequemen Lebenssofa, da wo alles in Butter ist und diesem Gefahrenbereich, der Panikzone liegt.
Von den schlimmen Notfällen aktuell einmal abgesehen befinden wir uns fast alle in dieser Lernzone. Es sei denn, unsere Angst okkupiert uns und katapultiert uns mal vorübergehend in die Panikzone. Dann rutschen wir rein in das innere Chaos und glauben, nur überleben zu können, wenn wir genügend Nudeln und Tomatensauce gebunkert haben.
Unsere erlebnispädagogische Arbeit basiert auf diesem Komfortzonenmodell. Die Philosophie dabei ist:
Bring dich in neue Erfahrungswelten, geh an deine Grenzen (du darfst dabei auch Angst haben) und lerne und erfahre Neues. Die Corona Krise ist genau solch eine neue Erfahrungswelt – und hat damit größtes Potential, Deine Persönlichkeit auf eine neue Ebene zu bringen.
Selbsterfahrung statt Netflix
Die Krise erlaubt uns, Pause zu machen. Viele Menschen haben plötzlich „freie Zeit“. Ein wertvolles Gut, das den meisten von uns in unserer schnell getakteten und auf Produktivität ausgelegten Gesellschaft abhanden gekommen ist.
Die Corona Krise wird nicht die Persönlichkeit aller Menschen einschneidend verändern. Die Einschränkungen dieser Krise sind sehr sanft. Überspitzt formuliert, kannst Du die Welt retten, indem Du einfach daheim bleibst und Netflix-Serien schaust. Diese sehr milden Umstände dieser Krise lassen zu, dass wir uns jetzt auch einfach in unserer „Komfortzone“ verstecken können.
Doch statt den ganzen Tag auf Deiner roten Couch Staffel für Staffel deiner Lieblingsserien zu „suchten“, kannst Du diese Zeit für eine bewusste Selbstreflexion nutzen.
Du hast keine zweite Chance
Ehrlich gesagt wird es in Deinem Leben vielleicht keine zweite Chance für Dich geben, Dich so intensiv in eine neue Erfahrung Deines Selbst zu begeben. Weil diese Selbsterfahrung so großen Wert für uns hat und dafür, unser volles Potential als Menschen auszuschöpfen, ist sie der Kern unserer Erlebnispädagogik-Ausbildung.
Die Corona-Angst kann also zu einem deiner wichtigsten persönlichen Entwicklungsschritte werden, wenn Du mit einer förderlichen Perspektive an sie herantrittst.
Du entscheidest, was Corona mit Dir macht
Diese Krise wird einen Wandel provozieren. In welche Richtung es dabei gehen wird, entscheiden wir. Um eine Perspektive auf die Coronakrise einzunehmen, die Dein persönliches Wachstum unterstützt, kann es förderlich sein, Dich tiefer mit Deiner Angst auseinander zu setzen.
Angstkompetenz ist möglich: Wie Du Angst-Profi wirst
Angst ist nicht gleich Angst. Das wäre schon mal unsere erste Botschaft an dich!
Je mehr wir diesen differenzierten Blick auf unsere Ängste wagen, unsere Ängste anerkennen, unsere Ängste anschauen, um so eher bleiben wir handlungsfähig und können schöpferisch in die Zukunft schauen. Um es mit Hilfe des Komfortzonenmodells zu beschreiben:
Durch den Blick auf die Angst bleiben wir in der Lernzone.
Wenn wir mit Anfängern am Kletterfels sind, taucht oft bei einigen „Angst in der Höhe“ auf. Es gibt so manche Klettertrainer*innen der alten Schule, die dann hoch rufen würden: „Schau einfach nicht runter!“. Schon immer habe ich in der Situation alle dazu eingeladen: „Mach Pause, schau dich um, schau zu uns runter, atme durch. Was siehst du, siehst du die neue Aussicht, usw…“
Tja, Angstkompetenz wird’s vom N.E.W.-Institut eventuell nicht mehr lange geben. (Uups, das war jetzt ein kleiner Rückfall in unsere Ängste).
Ein erster Lernschritt beginnt schon bei der Feststellung, dass es nicht „die“ Angst gibt. Vielmehr sind es unterschiedliche Arten von Angst, die an uns aktuell rütteln können.
Einladende Angst und warnende Angst
Es gibt etwa die einladende Angst, die uns sogar noch anspornt, eine Handlung doch zu tun! Wir sind dabei aufgeregt und unsicher, aber trauen uns dann doch, über den schmalen Bach zu springen. (Unsere Klassenfahrten sind voll von solchen Einladungen). Durch diese bewusste Entscheidung, es doch zu tun, katapultieren wir uns direkt in die Lernzone.
Es gibt aber auch die warnende Angst. Ab einer gewissen Kletterhöhe und ohne Sicherung warnt uns die Höhe/ unser System davor, weiter nach oben zu klettern. Das hilft uns, unser Überleben zu sichern! Deshalb nutzen wir bei unseren Kletteraktionen unser Klettermaterial (und ganz nebenbei schulen wir in Angstkompetenz)
Kenne Deine Angstqualität!
Wir Menschen sind besonders anfällig für Angst. Damals, als wir noch in Höhlen lebten, hat die Angst dafür gesorgt, dass wir vor dem Säbelzahntiger wegrennen. Die Angst hat uns geschützt. Das Problem ist, dass wir heutzutage – wo Säbelzahntiger längst nicht mehr unsere Nachbarn sind – instinktiv immer noch genau gleich auf Angst reagieren, wenn wir es nicht schaffen, unsere rationalen Hirnanteile zu reaktivieren. Wir brauchen also eine Angstkompetenz.
Wenn die Angst uns erstmal eingesaugt hat, haben wir selten die Kompetenz, einen differenzierten Blick auf unsere eigene Angstqualität zu werfen.
(Übrigens nutzen genau das Populisten in den letzten Jahren schamlos aus.)
Deshalb kann es helfen, wenn Du Dein Hirn mit vielen Informationen darüber fütterst, welche Qualitäten Angst annehmen kann. So kannst Du Angst besser detektieren und bewusst mit ihr arbeiten. Wenn Du verschiedene Angstqualitäten kennst, gibt das Deinem Verstand ein paar Anhaltspunkte, um selbst in der Angst, rational zu bleiben.
Das ist ein entscheidender Schritt für Dein Persönlichkeitswachstum. Denn Du begibst Dich damit willentlich und bewusst von der Panikzone, in die Lernzone. Damit übernimmst Du als menschliches Wesen Verantwortung für Deine Gefühle. Herzlichen Glückwunsch. Du verhältst Dich aus pädagogischer Sicht erwachsen!
Die entscheidende Angstqualität in der Corona Krise: Ego-Angst
Es gibt eine Ego-Angst in uns. Über Dein Ego musst Du wissen, dass es sich am wohlsten fühlt, wenn sich nichts verändert! Veränderung empfindet es fast immer als Bedrohung.
Beispiel: Kennst Du auch die Nachbarn, die seit 35 Jahren ins gleiche Hotel in Südtirol fahren? Irgendwann konnten Sie ihr Ego überlisten und sich trauen, die eigenen vier Wände zu verlassen, wenigstens für 14 Tage. Sofort hat sich das Ego aber die Sicherheit zurückgeholt und so wird jetzt jedes Jahr der gleiche Urlaub gebucht, möglichst auch immer in Zimmer Nr.7.
Übrigens nutzt auch Mac Donalds dieses System und bietet weltweit nahezu standardisiertes Essen an, vor dem mensch keine Angst haben muss. Die Kunden müssen also keine Angst haben, dass es plötzlich nicht schmeckt, und bekommen dadurch immer das gleiche…
Trauma-Angst
Neben dieser Ego-Angst vor Veränderung gibt es noch Ängste durch Traumatisierung.
Bei einer Traumatisierung, die üblicherweise im Kindesalter stattfindet, können Ängste tief in unserem System, in unserem Körper eingebettet und verankert werden. Durch äußere Umstände, wie die Corona Krise, werden diese Traumata reaktiviert und lösen irrationale Ängste aus.
Denk mal an die Generation Deiner Großeltern, die im Krieg aufgewachsen ist: Durch die Geldentwertung und Warenverknappung, musste etwa meine Oma oft Hunger leiden. Dieses Träume, nicht mit dem Überlebenswichtigen versorgt zu sein, hat sich tief in ihr System eingebrannt. Der Vorratsraum (ja sie hat dafür einen Raum) meiner Oma ist fast so groß wie der ihrer Küche selbst.
Anders als Gleichaltrigen meiner Generation verzeihe ich meiner Oma damit gerade jegliche Hamsterkäufe. Oma darf Nudeln und Soße lagern. Und jede*r andere – egal welchen Alters – der*die aus Traumaangst handelt auch.
Das Problem mit Trauma-Angst, ist dass wir hier die schlechtesten Chancen haben, unsere eigene Angst zu verstehen, da das Trauma zu einem Zeitpunkt stattgefunden hat, als unser Verstand noch nicht weit genug entwickelt war, um sie einzuordnen: Nämlich in unserer Kindheit.
Es ist deshalb für uns dann auch als Erwachsene sehr schwierig, unsere Trauma-Angst zu begreifen oder gar zu kontrollieren. (Geschweige denn, sie mit ein paar Tipps aus dem Selbsthilfebuch beheben zu können.)
Falls Du jetzt eine Trauma-Angst in Dir entdeckst: Es gibt jede Menge psychologisches Fachpersonal, das Dir mit dieser Sorte von Ängsten weiterhelfen kann, wenn Du an ihnen arbeiten möchtest. Wir verneigen uns vor jedem Menschen, der den Mut hat, sich seinen Kindheitserfahrungen zu stellen, statt sich von den Ängsten, die sie wieder und wieder auslösen, fremdsteuern zu lassen. Das ist wahrer Mut und Verantwortungsbewusstsein.
Deutschland in der Angsthypnose
Diese beiden zuletzt aufgezeigten Formen von Angst bilden die Grundlage für diese aktuelle Angsthypnose, die sich auf unser Land, auf unsere Welt gelegt hat. Dabei entsteht ein Mix in unserem Hirn von „survival mode“, wie ihn unsere Vorfahren in Bezug auf den hungrigen Säbelzahntiger gut gebrauchen konnten – einerseits.
Andererseits scheinen wir als Gemeinschaft auch an historisch und kollektiv traumatisierende Ereignisse anzudocken, wie etwa die Pest oder Aids oder die Spanische Grippe oder was auch immer.
Mit diesem Mix zwischen zwei ziemlich irrationalen Ängsten begeben wir uns ganz leicht in eine Opferrolle und es wird eng und enger im Kopf und in unseren Handlungen. (Hauptsache, ich habe genügend Klopapier für die nächsten 20 Jahre). Was uns in dieser Unbewusstheit in Hinblick auf unsere Ängste kaum gelingen wird: In die Schöpfer*innenrolle zu gehen.
Opferrolle versus Schöpfer*innenrolle?
Wir haben in jedem Augenblick die Wahl zu entscheiden, wie wir uns die Zukunft ausmalen, wünschen, vorstellen. Wenn wir in unserer Angsthypnose sind, starren wir entsetzt auf die Horrornachrichten, werden gefühlt überrannt und ohnmächtig.
Wenn wir es schaffen, Krisen als Orte und Zeiten des Wandels zu betrachten, darf in dieser Zeit mehr entstehen, als wir uns gerade erträumen können.
Jetzt ist die Zeit, um Dir etwa diese Fragen zu stellen:
- „Wie soll es danach (in meinem Leben / in unserer Gesellschaft /auf unserer Erde) aussehen?“
- „Was wünsch ich mir, aus der Corona-Zeit zu lernen?“
- „Wie begegne ich den Menschen (meiner Familie / meinen Nachbarn / meiner Chefin) gerade anders (liebevoller / wertschätzender / hilfsbereiter /eigenaktiver)?“
- „Was möchte ich in meiner Zukunft erschaffen?“
- „Was will durch mich in die Welt gebracht werden?“
Das beste, was Du gerade für Dein Persönlichkeitsentwicklung in der jetzigen Zeit tun kannst, ist zu meditieren. Dich beim Yoga oder Barfußspaziergang selbst spüren. Dir vielleicht bewusst Dein Tagebuch zu schnappen, in die Natur zu gehen und die Fragen von oben zu beantworten.
Wenn Du Dir jeden Tag ein wenig Zeit für Deine Auseinandersetzung mit der Angst und mit dem nimmst, was Dein Herz Dir gerade sagt, was für Dich wirklich wichtig ist, wird das eine Deiner wachstumsreichsten Zeiten in Deinem Leben. Versprochen.
Übrigens N.E.W. hat auch Angst
Wir haben sogar richtig die Hosen voll.
Ohne Spaß.
Alle Lehrer*innen, die bei uns eine Klassenfahrt gebucht haben, werden aufgrund der aktuellen Beschlüsse von der Regierung aufgefordert, ihre Klassenfahrten bei uns zu stornieren.
Unser Umsatz bricht um fast 100% weg.
Und trotzdem entwerfen wir Visionen unserer Arbeit für die Zeit nach der Corona-Krise. Für die Zeit nach dem großen Wandel.
Wir haben uns für die Schöpfer*innenrolle entschieden! Arbeiten auch ohne Gehalt für Dich und die Kids weiter. Denn wir spüren, dass wir mit der Erlebnispädagogik eine verantwortungsvolle Aufgabe haben. Eine Aufgabe, die durch die Corona-Angst umso mehr an Bedeutung gewinnt.
Wir kämpfen.
Für Dich. Für Deine Kinder. Für uns.
Hier geht es zu unserem Spendenaufruf! Jeder Betrag, ob klein ob groß, hilft uns!
Danke für eure Unterstützung!