Überall lauert der Tod

Eine Kita ist ein brandgefährlicher Ort, wussten Sie das nicht? Es wimmelt vor Erregern, gefährlichen Spielgeräten, Kinder könnten sich an zu kleinen Spielsachen verschlucken oder in Flammen aufgehen. Überall lauert der Tod und die Fachkräfte sind schwerstens gefordert, die Kinder davor zu bewahren!

 Zum Glück haben die Träger das auch erkannt und von verschiedenen Seiten wunderbare Hilfe bekommen. Der TÜV mischt mit, Brandschutz- und Hygieneverordnungen werden erlassen, Sicherheitsbestimmungen und die Vorgaben der Unfallkasse, alles fein säuberlich abgeheftet im Qualitätsmanagement-Handbuch. Regelmäßig kontrolliert und abgehakt – von den entsprechend motivierten Mitarbeitenden, Beamten und Beamtinnen. Wasfür ein Glück! So kann man sich bestens, bei Einhaltung aller Regeln, Vorschriften, Anordnungen und Verboten, vor Klagen wütender Eltern und Anzeigen durch Ämter auch schützen! Also bitte liebe Fachkräfte, freut euch doch, dass ihr nun endlich diese lästigen Verkleidungssachen aus der Rollenspielecke nehmen dürft. Sie sind ja nicht aus brandfestem Stoff und haben doch eh schon gemüffelt. Nun müsst ihr sie nicht mehr waschen, weniger Arbeit für euch. Und entlastet werdet ihr doch auch, wenn ihr keine Kerzen mehr nutzt, denn dann müsst ihr sie auch nicht mehr kaufen gehen. Ihr spart Zeit! LED-Lampen halten ewig und gehen viel einfacher an und aus!Wie? Ihr fndet es doof, wenn Kinder nicht m ehr auf Stühle, Tische, Fensterbänke und Regale klettern können? Es ist doch viel besser, wenn sie brav am Tisch sitzen und basteln oder spielen, was wir ihnen hinlegen. Bewegen können die Kinder sich doch im Turnangebot, wo alles TÜV-geprüft und normgerecht angeboten wird.
Überall lauert der Tod
Regeln sind die Rettung

Richtig toll ist auch, dass es einen Kleinteiletester gibt, von der Industrie schön aus buntem Plastik hergestellt und gewinnbringend verkauft. Mit seiner Hilfe lassen sich alle Spielsachen, die unter 2 Zentimeter sind, abmessen und aussortieren. So ist die Gefahr des Verschluckens und des Erstickens gebannt, und die kleinen Steinchen im Außengelände könnt ihr ja ganz einfach in eurer Verfügungszeit aussortieren.

Achtet darauf, dass Kinder auf keinen Fall Brote selbst vom Teller nehmen, nicht in die Küche gehen und schon gar nicht Gerichte zubereiten. Wenn ihr euch daran haltet, hat die Hauswirtschafterin endlich ihren Bereich ganz für sich allein, und nichts wird mehr mit Bakterien und Viren kontaminiert. So schützen sich Kinder und Erwachsene optimal vor Krankheiten. Selbstverständlich sollte auch auf das Basteln mit Eierkartons und Toilettenpapierrollen verzichtet werden. Salmonellen und Kolibakterien sind einfach zu gefährlich, und die kleinen Kunstschaffenden werden sicher auch mit Buntstift und Papier wunderschöne Werke kreieren.

Zu eurem Vorteil ist auch, dass in euer Außengelände ein Zaun gezogen wird zwischen dem Garten der älteren Kinder und dem der Krippenkinder, und dass die Höhe der Spielgeräte ganz genau abgemessen wird. An einen Zaun lässt es sich anlehnen, wenn man den Kindern beim Spielen zuschaut. Dass ein paar Kindergartenkinder körperlich kleiner sind als manches Krippenkind, könnt ihr hier ruhig vernachlässigen!

Kinder gehören nicht in die Küche. Ruck zuck ist ein Finger ab.

Wie frühere Generationen von Kindern ihre Zeit in der Kita überlebt haben ist wirklich einWunder. Wahrscheinlich wurden die Kinder gefesselt und im Haus gehalten und ständig observiert. Dassie aber heute freigelassen werden, müssen Vorschriften, Regeln und Verordnungen die Aufgabe der Ruhigstellung übernehmen. Die zahlreichen Unfallberichte über Vergiftungen durch salmonellengetränkte Eierkartons, in Flammen aufgegangene Prinzessinnenkleider, vom Klettergerüst gestürzte Kinder oder abgeschnittene Fingerglieder wegen zu scharfer Messer müssen so auch nicht mehr verfasst werden – und wieder Zeit gespart! Aber diese Katastrophen gehören ab sofort ja zum Glück der Vergangenheit an. Sinnvoll wäre es beispielsweise auch, die Kinder vollständig einzupacken. Plastik wäre hier am besten. Dadurch kann auch verhindert werden, dass kontaminiertes Essen auf die Kleidung tropft, was im Anschluss unkontrolliert vielleicht doch berührt werden könnte.

Überall lauert der Tod- auch in der Küche

Auch das Bücken oder, noch schlimmer, das Hinsetzen auf den Boden müsste sanktioniert werden. Unglaublich, was sich dort so alles tummelt. Synchron gehen, setzen, bewegen würde ganz sicher die Unfallgefahren weiter vermindern. Und wehe, ein Kind würde dabei erwischt werden, etwas vorher nicht Desinfziertes einfach in die Hand zu nehmen!

Natürlich nicht ohne Sanktionen!

Hier bräuchte es eine klar gestaffelte und im Qualitätshandbuch exakt beschriebene Sanktionsliste! Ganz wichtig noch: die lückenlose und fotografsch unterlegte Dokumentation, am besten digital, so ist sie gleich an die entsprechenden Stellen weiterzuleiten und man wirkt drohenden Bußgeldern entgegen! Was wir für Kinder wollen? Sie sollen ein Tablet bedienen können, aber auch den Sterillium-Spender. Sie sollenWissen reproduzieren können und bitte nichts hinterfragen. Und ganz wichtig: Apps nutzen können, die ihnen sagen, wie man im Alltag Probleme lösen kann. Bestimmt wird die kinderfreundliche App „So bedienst du ein Streichholz richtig“ schon programmiert. Oder aber vielleicht wäre es am besten, es kämen gar keine Kinder mehr in die Kita! Dann wären Vergiftungs-, Verbrennungs-,  Strangulations-, Sturz- und andere Gefahren vollständig gebannt. Und alle wären auf der sicheren Seite.

Dieser Gasteitrag „Überall lauert der Tod“ entstammt der Feder von Helia Schneider. Sie ist selbständige Fortbildungsreferentin für Elementar- und Kleinkindpädagogik, Freinet- Pädagogin sowie Erlebnispädagogin.
Mit freundlicher Genehmigung der Fachzeitschrift TPS Spezial „Freiheit aushalten“ – Heft 4/19, Klett-Kita Verlag

Helia Schneider
Glosse Helia Schneider